Tagebuch einer Alpentour, August 2016


23. August

Vor zwei Wochen musste ich kurzfristig meine Reservierung absagen, weil für den Alpenraum hohe Gewitterwahrscheinlichkeit vorhergesagt wurde. Insbesondere ohne Hallenstellplatz sind plötzlich auftretender Hagel und Gewitterböen ein ernstzunehmendes Risiko. An diesem Wochenende aber meint es Petrus gut mit mir und kündigt langfristig weiträumig störungsfreies Wetter an. Was damit gemeint ist ist sieht man an dieser GAFOR-Grafik des Deutschen Wetterdienst (blau ist sehr gut, rot ganz schlecht):

Das erfreut den VFR-Flieger. So sieht das für viele Tage aus.

Ich checke die Reservierungsliste und rufe dann Joachim an. Da ich es mir aussuchen kann, entscheide ich mich für den SkyRanger. Die bis zum Boden reichenden Fenster erlauben den direkten Blick nach unten, ein unschätzbarer Vorteil für das Fliegen im Gebirge. Zudem ist ein Transponder an Bord, fast schon ein Muss für den Streckenflug. Joachim stellt mir freundlicherweise sein ELT zur Verfügung. Ein ELT muss in Österreich mitgeführt werden.
Am Montag Abend packe ich meine Bündel, diesmal verteile ich die Wäsche auf Stoffbeutel, denn die kann ich besser in die Gepäcktasche quetschen. Hier sieht man den ganzen Kram, ohne Checkliste geht es nicht. Leider greife ich nicht zum Polarisationsfilter für meine Kamera, sondern zum ähnlich aussehenden Graufilter für Langzeitbelichtungen, also völlig unbrauchbar.

Was ich so alles mitnehme. Nicht zu sehen sind die aktuellen Luftfahrtkarten, ELT, Erdanker und Motoröl. Diese Dinge bekomme ich am Flugplatz.

Ich fahre am Dienstag von Hamburg nach Eisenach. Die Baustellen und Straßensperrungen ab Göttingen sind erwartungsgemäß immer noch vorhanden. Ich möchte gerne nach Sankt Johann in Tirol fliegen, doch ein Blick in die NOTAM zeigt, dass ausgerechnet heute Sankt Johann nicht anfliegbar ist. Später erfahre ich, dass die Veranstaltung nur vormittags lief und ich am Nachmittag hätte anfliegen können. Um 13:20 geht es mit Zwischenstop in Rothenburg ob der Tauber nach Kempten/Durach, wo ich um 17:11 lande. Mein Powerflarm stöpsel ich erst in der Luft ans Bordnetz, um dann ernüchternd festzustellen, dass ich vergessen habe die Transponderkennung dem Flarm bekannt zu machen. So meckert der Flarm ständig über die Nähe zum eigenen Luftfahrzeug. Ich tanke in Kempten/Durach und starte dann eine einstündige Tour ins Lechtal.

Kurz vor dem Aushallen...

...und danach

Über Schweinfurt

Das ist ein reiner Segelflugplatz bei Kitzingen.

AKW Gundelfingen eignet sich durch die Wolkenbildung für weiträumige Navigation. Und als Thermik für Segelflieger ;-)

Lechtaler Alpen in der Abendsonne.


24. August

Ich bin im Gasthaus Zum Schwanen in Durach untergebracht. Nach 5 Minuten erreiche ich zu Fuß den Flugplatz gegen 8:00. Nach dem Check warte ich noch bis ich gegen 09:00 tanken kann und dann geht es auch schon los in die Ötztaler Alpen, meine Standardtour.

Wolkenlos und klare Luft.

Bombastische Fernsicht.

Das Timmelsjoch, ein Pass nach Italien.

Wildspitze, selbst am Gletscher gibt es keinen Skibetrieb, Der Schnee ist abgeschmolzen.

Links die Wildspitze

Typische grüne Hänge in den Allgäuer Hochalpen. Auf dem Rückweg zum Flugplatz.

Ich mache mittgas eine Pause und starte dann um 14:10 nach Sankt Johann in Tirol. Anfangs fliege ich noch am Alpenrand entlang. Durch die sehr gute Fernsicht kann ich schon bald die Guffertspitze und das Rofangebirge sehen. Ich kürze dann direkt über die Berge Richtung Zillertal ab. Die schneebedeckten Dreitausender sind das Ziel.

Der Walchensee

Am Alpenhauptkamm, zwischen Zillertal in Österreich und Ahrntal in Italien.

Um 16:31 lande ich in Sankt Johann. Die Zillertaler Alpen zählen zu meinen Lieblingsdestinationen. Das war ein Vorgeschmack auf den morgigen Tag. Heute nachmittag war die Luft noch etwas unruhig, teilweise gab es Leeturbulenzen durch 15 Knoten Ostwind. Für morgen früh erwarte ich ruhigere Luft. Ich checke ein in die Pension Noëlla. Das Hotel Kaiserfels kommt für mich angesichts der geforderten 97€ für die Halbpension nicht mehr in Frage. Die haben wohl nach Errichtung eines Anbaus die Preise deutlich angehoben, oder es gibt einen Ferienaufschlag. Die familiäre Pension Noëlla finde ich für 45€ akzeptabel. Leider sind die Essenszeiten nicht ganz kompatibel zu den Betriebszeiten des Flugplatzes.

Eine Forelle aus lokalem Zuchtbetrieb. Hmmm...


25. August

Um 07:00 gehe ich zum Frühstück, werde aber informiert, dass es erst um 08:00 Frühstück gibt. Zu diesem Zeitpunkt startet schon der Flugbetrieb in Sankt Johann. Also starte ich erst um 08:54 Richtung Zillertal. Ich fliege in 22 Minuten auf direktem Weg dort hin, muss aber aufpassen, dass ich nicht in den Nationalpark Hohe Tauern einfliege. Dieser ist in den ICAO-Karten mit grüner Umrandung eingezeichnet, in den Jeppesen-Karten hingegen nicht. Der ungenehmigte Einflug wird mit hohen Bußgeldern geahndet. Ich fliege die Grenze zwischen Österreich und Italien auf und ab, knapp oberhalb der Dreitausender der Zillertaler Alpen. Nachdem ich mich sattgesehen habe, lande ich um 11:08 wieder in Sankt Johann. Ich gehe zur Pension und ruhe mich etwas aus.

Morgens auf dem Weg zum Flugplatz. Blick auf den Wilden Kaiser.

Die Reichenspitze in den Zillertaler Alpen. Dahinter liegt der Nationalpark Hohe Tauern.

Am Alpenhauptkamm, zwischen Zillertal in Österreich und Ahrntal in Italien.

Um 14:42 starte ich zur zweiten Tour des Tages. Diesmal geht es an den Loferer Steinbergen und am Watzmann vorbei zum Steinernen Meer. Das ist ein Hochplateau, welches von zahlreichen Wellen, Rinnen und Felsen übersäht ist. Der Name passt. Danach geht es zum Großglockner. Auch hier muss ich wieder aufpassen, nicht in den Nationalpark Hohe Tauern einzufliegen. Ich kann daher nicht direkt an den Gipfel heranfliegen. Um 17:28 lande ich in Sankt Johann, es ist sehr böig im Anflugbereich.

Das Steinerne Meer gehört zu den Salzburger Kalkalpen und liegt neben dem Watzmann, der sich links ausserhalb des Bildes befindet

Links der Bildmitte ist der Großglockner, Österreichs höchster Berg.

Abends in der Pension gibt es ein leckeres Grillbuffet. Nach dem Sattgucken muss ich mich halt auch satt essen.


26. August

Nun muss ich leider wieder zurück, einige Arbeiten warten zu Hause. Da ich heute noch nach Hamburg fahren muss, verzichte ich auf eine weitere Bergtour. Um 09:42 starte ich nach Straubing zum Zwischenstop. Bevor ich die Alpen verlasse, schraube ich mich am Wilden Kaiser hoch und genieße einen letzten Ausblick auf die schroffen Sandsteinfelsen. Um 14:14 erreiche ich dann Eisenach. Nun habe ich mich sattgeflogen. Mein Dank gilt allen, die mir diese Reise ermöglicht haben, inklusive den Fliegerkollegen in Eisenach, den Gebrüdern Wright, den Arbeitern auf den Ölplattformen, den Entwicklern und Monteuren der D-MCCF, meinen Fluglehrern, meinem Arbeitgeber und ...

Ein Phänomen ist mir klar geworden. Immer wenn ich Berggipfel angeflogen bin, die oberhalb des Horizontes lagen, dachte ich, dass diese Gipfel höher als ich sein müssten. Gipfel, die auf dem Horizont liegen, müssten meine Flughöhe haben, so dachte ich. Als ich dann bei gleichbleibender Flughöhe am Gipfel angekommen bin, war ich seltsamerweise immer höher als der Gipfel. Das ist schlichtweg ein Effekt der Erdkrümmung. In einer Flughöhe von 3000 Metern liegt der Horizont in einer Entfernung von 196km und visuell 1,8 Grad (das sind über drei Durchmesser der Vollmondscheibe) unterhalb der Horizontalen. Dieser Winkel hängt von der Flughöhe ab. Hat ein Gipfel meine Flughöhe von 3000m (d.h. er liegt auf einer Horizontalen zu mir) erscheint er 1,8 Grad oberhalb des Horizontes. Das Ganze ist auch im Zusammenhang mit dem Abscannen des Horizontes nach anderen Hindernissen, z.B. Luftfahrzeugen von Bedeutung. Flugzeuge oberhalb des Horizontes können auf unserer Flughöhe sein.

Der Chiemsee.

Direkter Blick nach unten geht beim Skyranger. Hier der Flugplatz Mühldorf. Immer schön anfunken vor dem Überflug, wegen möglichem Fallschirmsprungbetrieb.

Glücklich zurück. Tschüss, bis zum nächsten Mal.